Nur Mut! Mehr Digitales im Unterricht

Wie viel Digitales hat die Corona-Pandemie in den Schulunterricht gebracht? Und wie können Bildungsinitiativen Lehrkräfte bei der digitalen Transformation des Unterrichts weiter unterstützen? Dr. Johanna Börsch-Supan und Dr. Julia Kleeberger im Gespräch über technologiebasiertes Lernen und fächerverbindende digitale Bildung.

Hinter uns liegen zwei Jahre Corona-Pandemie, mit Distanzunterricht per Videokonferenz, Unterrichtsorganisation per Klassenchat und Gruppenarbeit über digitale Whiteboards. Ist das Digitale endlich im Unterricht angekommen?

Dr. Johanna Börsch-Supan: Die Corona-Pandemie hat den Nachholbedarf bei der Digitalisierung des Bildungswesens schonungslos aufgedeckt. Neben Hardware fehlte lange auch das Verständnis dafür, wie digitale Technologien sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden können. In der Krise haben dann viele Lehrkräfte einfach losgelegt, sind kreativ geworden und haben improvisiert. Sie haben dazu gelernt und Wissen geteilt. Das ist toll! Darauf können wir nun weiter aufbauen.

Dr. Julia Kleeberger: Digitale Werkzeuge sind während der Pandemie auch im Schulkontext selbstverständlicher geworden. Aber: Wer streamen, chatten und swipen kann, der begreift die digitale Welt noch lange nicht. Wer auf die Gesellschaft der Zukunft vorbereitet sein will, muss die Funktionsweise digitaler Technologien verstehen und selbst gestalten können.

Was bedeutet das konkret?

Dr. Julia Kleeberger: Nicht jedes Kind, das schreiben lernt, wird Schriftsteller:in. Und nicht jedes Kind, das programmieren lernt, wird Programmierer:in. Allerdings ist eine fundierte digitale Bildung und das Wissen um computerbasierte Denkweisen erforderlich, um sich in einer digitalen Gesellschaft aktiv einbringen und entfalten zu können.

Dr. Johanna Börsch-Supan: Genau! Es muss mehr um die Frage gehen, wie wir digitale Technologien als Mittel zum Zweck nutzen können – sei es um durch Gamification mehr Schüler:innen fürs Lernen zu begeistern oder digitale Lösungen für den Klimaschutz zu entwickeln. Deshalb bringen wir bei Coding For Tomorrow Digitales fächerübergreifend in den Unterricht ein.

Schüler:innen müssen Sie wahrscheinlich nicht für den Einsatz digitaler Technologien im Unterricht begeistern. Wie schafft man das bei Lehrkräften und Schulleitungen?

Dr. Julia Kleeberger: Für Lehrkräfte ist es ganz wichtig und immer wieder spannend, die Möglichkeiten des Einsatzes digitaler Technologien für ihr jeweiliges Fach zu erfahren. Hier entwickeln sich durch die digitalen Technologien ganz neue Möglichkeiten, die viele nicht kennen. Hierfür machen wir digitale Bildung erlebbar – durch praktische Anwendungsbeispiele und teilen Erfahrungen und Best-Practice-Tipps von Lehrenden. Außerdem merken wir immer wieder, dass durch das eigene Ausprobieren und Erleben schnell auch bei Erwachsenen das Interesse geweckt wird.

Dr. Johanna Börsch-Supan: Uns bewegt vor allem die Frage, wie sich digitale Bildungsinhalte nachhaltig im Unterricht verankern. Unsere Erfahrung zeigt: Frustration entsteht bei Lehrkräften auch durch die Erfahrung, dass bestimmte Technologien in ihrem Unterricht nicht funktionieren. Deswegen haben wir uns bei Coding For Tomorrow bewusst nicht an einzelne Technologien gebunden und können so Lehrkräfte wie Schulleitungen noch besser bei der Frage unterstützen, wie Investitionen und digitale Unterrichtskonzepte zusammenpassen.

„In unseren Workshops programmieren die Kids Fabeln, basteln elektronische Musikinstrumente und erleben, wie wir unsere Welt mit digitalen Technologien nachhaltiger gestalten können.“

Dr. Johanna Börsch-Supan, Leiterin Strategie und Programm bei der Vodafone Stiftung

Welche Hürden gibt es für Lehrkräfte, Digitales in ihren Unterricht einzubauen?

Dr. Julia Kleeberger: Lehrkräfte in Deutschland haben wegen der einzuhaltenden Lehrpläne und des Lehrkräftemangels häufig kaum Zeit, sich mit neuen, vielschichtigen Themen auseinanderzusetzen oder Fortbildungen zu besuchen. Die Corona-Pandemie hat dieses Gefühl noch verstärkt. Wir begegnen vielen, die Angst haben zu scheitern. Genau diese Angst wollen wir ihnen nehmen. Fehlermachen gehört zum Lernen dazu, ebenso wie offen zu sein und sich auszutauschen. Dafür braucht es aber beispielsweise auch geschützte Räume abseits des normalen Schulbetriebs.

Wie kann Coding For Tomorrow hier konkret unterstützen?

Dr. Johanna Börsch-Supan: Mit unseren Schulungen. Unsere Maxime ist dabei, Lehrkräfte niederschwellig und auf Augenhöhe an das Thema heranzuführen. Wer nicht die Möglichkeit hat, an einer teilzunehmen, ist häufig schon dankbar, häppchenweise praktische Konzepte an die Hand zu bekommen. Bei Coding For Tomorrow stellen wir kostenfreie Unterrichtsmaterialien zum Download zur Verfügung.

Dr. Julia Kleeberger: Genau. Es gibt übrigens auch viele Möglichkeiten, algorithmisches Denken ohne den Einsatz von Technik zu fördern. Schließlich geht es um eine Art zu denken und Problemlösungsstrategien zu entwickeln – das geht am Anfang auch ohne Technologie, einfach mit Stift und Papier. Später sind dann auch sogenannte visuelle Programmiersprachen praktisch. Je nach vorhandener Ausstattung bietet sich hier die App ScratchJr für die Grundschule an oder Scratch für die weiterführende Schule.

Welche sind die häufigsten Fragen und Nöte, mit denen Lehrkräfte zu Ihnen kommen?

Dr. Julia Kleeberger: Die erste Frage, die wir von Lehrkräften häufig gestellt bekommen, ist: Wann finde ich im Unterricht Zeit, diese Inhalte umzusetzen? Als zweite Frage folgt dann meist direkt: Und wie kann ich das bewerten? Darüber hinaus begegnen wir natürlich auch vielen technischen und didaktischen Fragen: Wie kann das Tablet sinnvoll im Unterricht genutzt werden? Wie erfolgt die Wartung der Hardware? In den meisten Fällen können wir Lehrkräfte mit konkreten Erfahrungen und Hilfestellungen unterstützen.

Coding For Tomorrow macht sich dafür stark, Programmieren und digitale Bildung fächerverbindend zu denken. Warum?

Dr. Johanna Börsch-Supan: Die Digitalisierung durchzieht alle gesellschaftlichen Bereiche – und genau deswegen hat digitale Bildung auch in allen Fächern Relevanz: In unseren Workshops programmieren die Kids Fabeln, basteln elektronische Musikinstrumente, gestalten interaktive Poster, bauen smarte Fahrzeuge und erleben, wie wir unsere Welt mit digitalen Technologien nachhaltiger gestalten können. Wichtig ist, mit digitalen Technologien einen Mehrwert für den Unterricht zu schaffen, erfahrungsbasiert zu lernen und Kindern wie Jugendlichen die Vielfalt an Anwendungsmöglichkeiten näherzubringen. Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit Lehrkräften in den kommenden Jahren viele neue Ideen dafür zu entwickeln!

„Wir begegnen vielen, die Angst haben zu scheitern. Genau diese Angst wollen wir ihnen nehmen. Fehlermachen gehört zum Lernen dazu, ebenso wie offen zu sein und sich auszutauschen.“

Dr. Julia Kleeberger, Geschäftsführerin von Junge Tüftler*innen

Dr. Johanna Börsch-Supan ist Leiterin Strategie und Programm bei der Vodafone Stiftung

Dr. Julia Kleeberger ist Geschäftsführerin von Junge Tüftler*innen

Egal ob in Präsenz, Hybrid oder Online – wir unterstützen Lehrkräfte, fächerübergreifend gute technologiebasierte Bildung zu machen.